Von Nicole Finkenauer www.diabetes-online.de

Kinder mit Diabetes sollen sich in Kindergarten und Schule gut aufgehoben fühlen, dies ist längst nicht selbstverständlich. Noch immer gibt es viele Ängste bei pädagogischen Fach- und Lehrkräften, noch immer kommt es vor, dass ein Kind wegen des Diabetes nicht mit auf Klassenfahrt darf, eine Schule oder eine Kita sogar die Aufnahme eines Kindes mit Diabetes ablehnt. Deshalb ist es wichtig, einmal die Einrichtungen ins Licht zu rücken, die sich auf den Weg gemacht haben, um Kinder mit Diabetes zu integrieren. Dies ist ein Anliegen der  Mitglieder des Vereins „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus“: Anfang Mai wurde der Schul- und Kitaförderpreis an jeweils drei Kitas und Schulen vergeben.

Die Idee für den Förderpreis ist entstanden durch das Engagement des Vereins „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus“ ((Link: https://www.diabetes-kinderhilfeverein.de/)) in einem Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz, in dem der Verein Seminare für pädagogische Fach- und Lehrkräfte landesweit angeboten hat. Diese Seminare – geleitet von qualifizierten Diabetesteams – bauen Ängste ab und zeigen auf, wie der Einsatz moderner Diabetestechnik den Alltag in Schule und Kita erleichtern kann. Wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde das Projekt durch die Universität Landau. Mittlerweile ist aus dem Pilotprojekt eine Regelfortbildung für Erzieherinnen und Lehrkräfte geworden – und damit ist Rheinland-Pfalz das erste Bundesland, das solche Regelfortbildungen anbietet. ((Link: http://www.diabetes-online.de/a/diabetes-regelfortbildungen-fuer-erzieherinnen-und-lehrkraefte-1818941))

Inklusion ist wichtig für die Familien; Handlungssicherheit und Abbau der Ängste ist wichtig für Schulen und Kitas

Die Preisverleihung fand mit musikalischer Begleitung durch die Bigband   des Sebastian-Münster-Gymnasiums im historischen Ambiente des „Haus Burggarten“ in rheinhessischen Ingelheim statt. Unter den jungen Musikern ein Jugendlicher mit Diabetes, wie Marlies Neese, Vorsitzende von „Hilfe für Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus“, anmerkte. Sie und ihre Vorstandskollegin Dr. Dorothea Reichert, Diabetologin aus Landau, führten durch die Veranstaltung. Mit dabei waren nicht nur die  Vertreter der Diabetes-Unternehmen, die die Seminare unterstützen – wie Dexcom, Roche und Medtronic, sondern auch Boehringer Ingelheim und NovoNordisk, die ebenfalls einen anteiligen Betrag für die Förderpreise zur Verfügung stellten.

Frau Dr. Reichert beleuchtete eindringlich warum und wieso das Pilotprojekt so wichtig ist, das der „Diabetes-Kinderhilfeverein“ zusammen mit den rheinland-pfälzischen Ministerien für Familie, Bildung und Gesundheit gestartet, organisiert, begleitet und betreut hat. Letzteres Ministerium hat eine finanzielle Unterstützung zum Pilotprojekt geleistet. „Für die Familien – und oft vor allem für die Mütter“, so Dr. Reichert, „ist es wichtig, dass Kinder mit Diabetes Kita und Schule ganz normal besuchen können, damit einer Berufstätigkeit weiter nachgegangen werden kann – besonders im Hinblick auf die Höhe der späteren Rente“. Und weiter „Die Aufgaben in  Kitas und Schulen wandeln sich, die pädagogischen Aufgaben nehmen zu, nie waren Kitas und Schulen so wichtig für eine funktionierende Gesellschaft.“

Kinder haben wachsende Probleme, Spielregeln einzuhalten, die ihnen nicht oder nur unzureichend vermittelt werden. Daraus resultieren dann auch die Probleme mit einer Erkrankung umzugehen, bei der es vor allem um das Einhalten von Spielregeln gehe.  Dr. Reichert betonte, dass sich die Behandlung des Diabetes  dank technischer Neuerungen deutlich verbessert habe. Pädagogische Hilfestellungen, wie sie in den Diabetes-Seminaren vermittelt würden, damit das betreuende Umfeld der diabetischen Kinder Sicherheit im Umgang mit der Krankheit gewinne, verhinderten eine Ausgrenzung und Alleinstellung von Betroffenen. Kinder dürften nicht ausgegrenzt werden, denn: „Ausgrenzung fördert die Nicht-Akzeptanz der Krankheit, mit verheerenden Folgen für die Zukunft dieser Kinder.“

Marlies Neese, Vorsitzende des Vereins, lenkte den Blick auf das Konzept der Seminare als „lernendes Modell“. Sie verwies darauf, seit dem Start des Projekts habe sich in der Diabetestechnologie viel getan hat, was Kindern und deren Betreuern den Alltag künftig erleichtern wird.

Preiswürdig: Einrichtungen, die sich auf den Weg gemacht haben

„Mit dem Förderpreis ausgezeichnet werden Einrichtungen, die sich auf den Weg gemacht haben die Idee einer wirklichen Inklusion umzusetzen“, so Dr. Reichert. Die ersten Preise – jeweils 3000 Euro für die Gewinner in den Kategorien „Schulen“ und „Kitas“, 2000 Euro für die Zweit- und 1000 Euro für die Drittplatzierten – wurden übergeben von Vertreterinnen des Bildungsministeriums. Fast alle Auszeichnungen gingen in den Norden von Rheinland-Pfalz, diese Region punktet damit bei der Inklusion.

Diese Schulen haben gewonnen

Ute Schmazinski-Damp, Referatsleiterin im Bildungsministerium und unter anderem zuständig für die Themen Schülergesundheit und Gesunde Schule an Grundschulen, zeichnete gemeinsam mit dem Verein folgende Schulen aus – und betonte, wie schwierig es gewesen ist, unter den Schulen, die sich beworben haben, überhaupt eine Abstufung vorzunehmen:

  1. Preis: Erich Kästner-Schule Altenkirchen (Landkreis Altenkirchen/Westerwald)

Ein Leitzsatz aus dem Diabetes-Konzept der Schule überzeugte ganz besonders: „Es ist normal, verschieden zu sein. Bei uns bekommt nicht jeder das Gleiche, sondern das, was er braucht.“

  1. Preis: Bodelschwingh-Schule Bendorf-Mühlhofen (Landkreis Mayen-Koblenz)

Hier gibt es eine Lehrkraft, die sich schwerpunktmäßig um das Kind mit Diabetes kümmert. Es findet ein regelmäßiger Austausch mit den Eltern statt. Eine der Einzelmaßnahmen: Bevor das Kind nach Hause geht wird der Blutzucker gemessen. Marlies Neese wies darauf hin,  alle Lehrkräfte der Schule und die der Nachbarschule aus Lahnstein haben am Diabetes-Seminar teilgenommen– insgesamt 50 Personen!

  1. Preis: Grundschule Heimbach-Nahe (Landkreis Birkenfeld)

Hier haben alle Lehrkräfte an einer Basisschulung teilgenommen. Teil des Konzeptes ist: An verschiedenen Stellen in der Schule wurden Trinkpäckchen deponiert, um für den Fall einer Unterzuckerung an jeder Stelle gut vorbereitet zu sein. Außerdem gibt es einen detaillierten Notfallplan und ein Handy, in dem alle wichtigen diabetesrelevanten Nummern schon eingespeichert sind.

Frau Ute Schmazinski-Damp vom Bildungsministerium hob die Ziele hervor, die das Ministerium mit den Diabetes-Fortbildungen verfolgt: Die Lehrkräfte sollen Handlungssicherheit erlangen, um  die weit verbreiteten Ängste, etwas falsch zu machen oder belangt zu werden, auszuräumen. „Es war ein Wink des Schicksals, dass die am Pilotprojekt Beteiligten sehr engagiert mitgemacht und alle ihr Know-how eingebracht haben.“ Sie lenkte die Aufmerksamkeit auf den großen Vorteil, dass die Seminare zu den Teilnehmern kommen, in deren Region – die örtlichen AOKen stellen die Tagungsräume auch weiterhin kostenlos bereit und beteiligen sich vorbildlich am Service für die Teilnehmer. Die pädagogischen Fachkräfte lernen so die in der Region diabetische Kinder betreuenden Ärzte und Diabetesberaterinnen kennen und können sich auch weiterhin bei Fragen direkt an diese wenden.

Diese Kitas haben gewonnen

Frau Susanne Skoluda, Leiterin des Referats „Bildung und Erziehung in der Kita, Inklusion“, zeichnete folgende Kitas aus:

 

  1. Preis: Kita Regenbogenland Niederbreitbach (Landkreis Neuwied)

Das Diabeteskonzept kann nach Überarbeitung ein „Fahrplan“ für andere Kitas sein.

  1. Preis: Kita Rabennest Braubach (Rhein-Lahn-Kreis)

Diese Kita hat eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, sich für Inklusion einzusetzen. Der Umgang mit Kindern mit Diabetes ist in dieser Einrichtung Teil eines großen Ganzen.

  1. Preis: Kita Auenwiese Raubach (Landkreis Neuwied)

Diese Kita hat ihr Team um eine  Krankenschwester erweitert, die sich fachlich kompetent unter anderem auch um Kinder mit Diabetes kümmert.

„Ich erlebe immer wieder, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht immer gewährleistet ist – gerade für Kinder mit chronischen Krankheiten“, gab Susanne Skoluda zu bedenken. Oft sind unbegründete Ängste Grund für eine Nicht-Aufnahme.  Wenn Eltern und Einrichtung gut zusammenarbeiteten, sei eine gelingende Inklusion möglich. Auch die Unterstützung des Trägers sei wichtig. Zur Preisverleihung brachte Frau Skoluda die sehr positive Nachricht mit: die Anschubfinanzierung für das Angebot der Regelfortbildungen am Pädagogischen Landesinstitut ist gesichert.

Von links nach Rechts:

  1. Herr Dr. Schaebsdau, Firma Dexcom, Hersteller von Sensoren zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung, Unterstützer des Pilotprojektes und der Förderpreise
  2. Frau Fischer, Kita Regenbogenland, Niederbreitbach, Sieger Kitas mit Preisgeld von 3000 Euro
  3. Herr Dr. Messer, Firma Dexcom, siehe unter Punkt 1
  4. Herr Gutzweiler, Universität Landau, wissenschaftliche Begleitung des Pilotprojektes
  5. Frau Hebel, Grundschule Heimbach, dritter Preis Schulen
  6. Herr Dr. Raffius, Boehringer Ingelheim, Hersteller von Medikamenten für Typ 2 Diabetes, trotzdem einer der Hauptsponsoren der Förderpreise für Kinder mit Diabetes Typ 1
  7. Frau Skoluda, Referentin Bildungsministerium, zuständig für die Kitas
  8. Herr Wetzlar, Rektor der Grundschule Bendorf-Mülhofen, zweiter Preis Schulen
  9. Frau Schmazinski-Damp, Referatsleiterin Schule
  10. Frau Dreser, Kita Auenwiese, Raubach, dritter Preis Kitas
  11. Frau Heucke, Erich-Kästner-Schule, Altenkirchen, Sieger Schulen mit Preisgeld von 3000 Euro
  12. Frau Legrande, Kita Rabennest, Braubach, zweiter Preis Kitas
  13. Frau Förster, NovoNordisk, Insulin produzierende Firma, eine der Hauptsponsoren der Förderpreise
  14. Herr Dr. Hergel, Roche Diagnostics, Hersteller von Blutzuckermessgeräten, Teststreifen, Insulinpumpen und weiterem technischem Zubehör, Unterstützer  des Pilotprojektes und der Förderpreise
  15. Frau Dr. Reichert – Vorstand des Vereins Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e.V.
  16. Frau Neese – Vorstand des Vereins Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e.

FOTOS: Edgar Daudistel